Piano mobil

KW 20 Fr., 18. Mai 2018 21:25

Wie gerne hat man als Pianist einen gut gestimmten, grossen, mechanisch einwandfreien und toll klingenden Flügel beim Gig. Egal ob alleine, im Duo oder in der Bigband. Tatsächlich gib es das extrem selten und man ist halt unterwegs mit dem Digitalpiano seiner Wahl. Ich bin mir mit einigen befreundeten Pianisten einig, dass unter Umständen (vor allem in lauten Bands) ein gutes Digitalpiano über die PA besser klingt oder funktioniert als ein mikrofonierter Flügel, der rückkoppelt, mit Kompressor plattgedengelt wird, schrecklich klingt oder schlicht im Lärm untergeht.

Aber schaue ich mir die Auswahl verfügbarer Digitalpianos an stelle ich fest, dass zwei wesentliche Aspekte leider sehr unterbelichtet sind. Erstens finde ich beim Antesten aller vorhandenen Geräte einschliesslich der 80kg schweren Wohnzimmerteile, dass die Tastaturen durch die Bank viel zu leichtgängig sind. Das gibt mir nicht das Gefühl, was an einem echten Instrument aufkommt. Tut mir leid, aber es wird hier viel zu sehr nach der Masse der untrainierten Hobbypianisten gefertigt. Wenn ich an meinem Grotrian- Steinweg Flügel übe, habe ich sofort nach einigen Minuten die Erkenntnis „aha, da geht’s lang, jetzt spüre ich die ganze Finger- und Unterarmmuskulatur, DAS ist Training. So habe ich auch viel mehr Kontrolle über die Töne!“ An was liegt es? Wer meint, er könne durch Erhöhen des Gewichtes der Hämmer im Digitalpiano etwas erreichen, liegt falsch. 

Stapelt man auf einer Taste Geldmünzen, solange, bis sie sich nach unten senkt, hat man einen Wert erreicht, der eigentlich überall gleich ist bzw. sein sollte. Soweit ich weiss ca. 60g. Dieses Aufliegegewicht würde sich mit Erhöhen der Hammermasse vergrössern und die Tatatur nur schwergängiger machen, womöglich eine Sehnenscheidenentzündung hervorrufen. Vielmehr müsste man ganz vorne und ganz hinten in die Tasten Gewichte einbauen, die einfach die Schwungmasse erhöhen. Ja, richtig, das Piano selbst würde etwas schwerer, aber nicht so dramatisch. Hauptsache, das Feeling stimmt. Ich habe schon viel gebastelt, aber hier immer gekniffen. Sollte eigentlich von Werk aus eingerichtet werden. Bestes Beispiel: Beim Testen des unerreicht teuren Masterkeyboards von Lachnit konnte ich ein Stück gar nicht spielen, weil mir die linke Hand mit ihrer Begleitfigur „davongerannt" ist. Bekannter, weitverbreiteter italienischer Hersteller der Tastatur, die einfach zu wenig Schwungmasse mitbringt. Sehr interessant, dass der Erfinder des Lachnit als ehemaliger Bösendörfer- Fachmann mir den Tipp mit den Schwunggewichten gab.

Der zweite, wichtige Punkt ist der Pianosound. Was mich immer wieder fassungslos macht, wie undynamisch, im oberen Velocitybereich flach und dumpf, wie uninspirierend die Pianosounds doch sind. Und das in einem Zeitalter, in dem man Softwarepianos hat, die haushoch überlegen sind. Auch mag ich es nicht begreifen, dass beharrlich immer wieder Digitalpianos auf den Markt geworfen werden, in die man drei bis fünf peinlich schlechte Pianos einbaut, anstelle dass man jedes verfügbare Bit an Speicherplatz für ein einziges bestmögliches PIano zusammenkratzt. Ein Jammer. Immer und immer wieder. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Hersteller keine Ahnung haben, oder davon ausgehen, dass die Masse der Käufer keine Ahnung hat, oder dass dem Prinzip gefolgt wird: Was sich besser verkauft, wird gebaut. Ok, dann bin ich ja mit dem Konzept, nur die Tastatur zu nutzen und alles andere über das Laptop zu machen, gut unterwegs.